„Corona hat mein Team selbstbewusster gemacht!“

Seit es das Coronavirus gibt, leidet weltweit die Tourismus-Branche. Länder wie Namibia, in denen der Tourismus der zweitwichtigste Wirtschaftszweig ist, trifft das besonders hart. Was bedeutet das für Hotel- und Gästefarm-Besitzer in Namibia? Schaffen sie es durch die Krise, obwohl es in Namibia keine staatlichen Hilfen gibt? Oder bedeutet die Corona-Krise für sie das Aus?

Farmbesitzer Johann Vaatz (rechts) mit seinem Sohn Alexander.

Seit 34 Jahren ist der deutschstämmige Johann Vaatz Eigentümer der Gästefarm „Düsternbrook“ in der Nähe der namibischen Hauptstadt Windhoek. Gemeinsam mit den Familien seiner 18 Angestellten wohnt er auf der Farm, die auf einer kleinen Anhöhe nahe eines ausgetrockneten Flussbettes liegt. Was die Corona-Krise für den 70-Jährigen bedeutet, wie er damit umgeht und inwieweit er die Existenz der Gäste-Farm bedroht sieht, hat er uns in einem Interview verraten.

TSN: Herr Vaatz, hier bei uns in Deutschland hat die Corona-Krise den Tourismus schwer belastet. Wie sieht das bei Ihnen in Namibia aus?

Johann Vaatz: Hier in Namibia ist es noch viel schlimmer ist als in Deutschland. Der internationale Tourismus kam komplett zum Erliegen. Einige Windhoeker kommen mal für eine Nacht zu uns auf die Farm – aber auch nur am Wochenende. Mehr nicht. Ich habe gehört, dass der deutsche Staat Leute oder Firmen finanziell unterstützt. Das gibt es hier nicht – null!

TSN: Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihr Leben aus? Was bewirkt sie bei Ihnen?

Johann Vaatz: Die Corona-Krise sehe ich sehr gelassen. Die Generation vor uns hat schon ganz andere Krisen überstanden. Mein Vater zum Beispiel ist als Deutsch-Russe in der Ukraine aufgewachsen und hat die Oktober-Revolution hautnah miterlebt. Was das Coronavirus angeht, bin ich zu sehr Naturwissenschaftler in meiner Denkstruktur und lebe zu nah und zu lange an der Natur, wo Krankheiten über Jahrhunderte kommen und gehen. Die Angst- und Panikmache hat mich nicht im Geringsten imponiert. Diese Zwangspause ist mir sogar willkommen, weil ich sie nutzen kann. Das, was immer liegengeblieben ist, habe ich jetzt erledigt ich fühle mich dabei sehr wohl – endlich habe ich Zeit dafür. Wir haben zwar fast keine Einnahmen, deshalb schrumpft das Gesparte stetig und Sparkurs ist angesagt.

TSN: Sie leben vom Übernachtungstourismus und von Safaris. Wie bewältigen Sie die aktuelle Zeit, wo es doch kaum noch Reisende und Touristen gibt?

Johann Vaatz: Den lokalen Tourismus locken wir mit 30% Rabatt. Sie buchen zwar nur die günstigste Kategorie mit Selbstverpflegung, aber das ist besser als gar nichts. Alles andere wird vom Ersparten bezahlt. Mich wunderte es selbst, dass ich noch Erspartes hatte nach der größten Trockenheit 2019, die Namibia je erlebt hat. Hier auf der Farm leben ja auch viele Wildtiere, die ich während der Dürre versorgen musste. Nilpferde, Oryxe, Zebras… Für sie musste ich wegen der Dürre viel Geld zusätzlich für Futter ausgeben. Vor Jahren hatte ich gelesen, dass man sein finanzielles Management so organisieren soll, dass man erstens auf mehreren Beinen steht – ein dreibeiniger Tisch wackelt nicht – und zweitens nie in die Situation kommt, mit dem Rücken an der Wand zu stehen. Daran habe ich mich gehalten und nicht nur heute sehe ich, wie gut dieser Ratschlag war.

TSN: Hier in Deutschland schließen immer mehr Hotels und Gasthäuser wegen der Corona-Krise. Viele Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz. Was bedeutet die Corona-Krise für Ihre 18 Angestellten?

Johann Vaatz: Ich habe keine Person entlassen! Die, die auf meiner Farm im Tourismus-Bereich arbeiten, habe ich auf 50% Lohn und Arbeitszeit gesetzt. Die Frauen in meinem Team gehören vorrangig zum Tourismusteam – seit der Krise gehören sie zum Renovierungsteam. Heute gibt es keinen Fensterrahmen und keine Tür, die nicht neu gestrichen ist. Das Selbstbewusstsein meiner Mitarbeiter ist dadurch auch unglaublich gestiegen. Vormittags machen wir jetzt alles hübsch im Gäste-Haus und nachmittags verwenden die Mitarbeiter das Material und die Maschinen dann, um ihr eigenes Zuhause zu renovieren und aufzuhübschen. Das ist jetzt alles fertig und jetzt geht es in den Gärten weiter. Jeder Mitarbeiter soll einen kleinen Garten zur Selbstversorgung betreiben und alles was übrigbleibt, werde ich nach Eigenverbrauch für die Gästefarm von meinen Mitarbeitern abkaufen. Das ist momentan noch Theorie, aber wenn das funktioniert, ist es eine Win-Win-Situation. Wir haben zwar kaum Einnahmen, aber wir kommen aus der Krise besser raus als wir reingegangen sind.

TSN: Fürchten Sie um Ihre Existenz? Gibt es Hilfe vom Staat? Steuererleichterungen oder andere Hilfsmittel?

Johann Vaatz: Nein, ich fürchte nichts, gar nichts. Das habe ich noch nie im Leben. Es soll nicht arrogant klingen, aber ich bin mir meiner Fähigkeiten bewusst und auch das ich mich anpassen kann. Dieses Land verwöhnt einen nicht.

Die Farm der Familie Vaatz liegt gut eine Stunde Fahrzeit nordwestlich der namibischen Hauptstadt Windhoek an einem ausgetrockneten Flussbett.

TSN: Wie beobachten Sie die Branche? Was bekommen Sie von anderen Gästefarmen und Hoteliers mit? Haben die ähnliche Probleme wie Sie?

Johann Vaatz: Das kann ich nicht sagen. Ich höre nur, dass manche Hotels sofort zugemacht und alle Leute entlassen haben. Gästefarmen stehen ja meist auf mehreren Beinen. Klar haben die ähnliche Probleme, aber jeder löst sie anders.

TSN: Was gibt Ihnen Hoffnung? Welche Lichtblicke gibt es für Sie in Zusammenhang mit dieser Pandemie?

Johann Vaatz: In der Not entstehen oft sehr gute, wenn nicht sogar die besten Ideen. So war es vor vielen Jahrzehnten auch mit unserer Gästefarm. Sie ist ja die älteste Gästefarm Namibias – aber damals entstanden, eben weil es 1961 eine große Dürre gab und die Maul- und Klauenseuche wütete. Farmer konnten keine Rinder mehr verkaufen, meine Eltern saßen also ohne Einnahmen da. So entwickelte sich die Idee, Gäste auf dieser Farm zu empfangen, um wieder Einnahmen zu generieren. Sie sehen, aus dieser Notsituation hat sich etwas sehr Positives entwickelt. Heute gibt es in Namibia zahllose Gästefarmen und Lodges. Es ist für viele Farmer ein zweites Standbein und hat etliche Arbeitsplätze geschaffen. So bin ich mir sicher, dass wir auch aus dieser Krise gestärkt wieder herauskommen.