„Zu viele Fußball-Talente in Namibia bleiben unentdeckt!“

Tausende Jugendliche in Namibia träumen davon, irgendwann einmal Profi-Fußballer zu sein. Fast alle Fußball-Talente in Namibia bleiben aber unentdeckt. Was muss passieren, damit der Traum Fußball-Profi in Namibia für mehr junge Menschen endlich wahr wird?

Foto: FSV Zwickau

Im Gegensatz zu vielen seiner Landsmänner hat Manfred Starke es geschafft: Dernamibische Fußball-Profi und Nationalspieler steht aktuell beim deutschen Fußball-Drittligisten FSV Zwickau unter Vertrag und hat mittlerweile über 200 Profi-Fußballspiele in seiner Karriere absolviert. Der deutsch-namibische Mittelfeldspieler hat uns in einem Interview verraten, woran es bei der Talent-Suche in Namibia hapert. Außerdem haben wir ihn gefragt, was passieren müsste, um Fußball-Talente in Namibia besser zu fördern und ob es große Unterschiede beim Fußball in Deutschland und Namibia gibt.

TSN: Manfred, seit Jahren spielst du in Deutschland erfolgreich Fußball. Wieso hast du im Gegensatz zu vielen anderen Namibiern den Sprung auf die große Fußballbühne geschafft?

Manfred Starke: Ich hatte damals – glaube ich – eine ordentliche Portion Glück! Mein Vater hat vor knapp 20 Jahren bei uns in der namibischen Hauptstadt Windhoek, wo ich herkomme, eine Trainer-Ausbildung gemacht. Dazu kam der frühere Profi-Fußball-Trainer Heinz Werner aus Deutschland nach Namibia, um den Trainer-Lehrgang zu leiten, an dem mein Vater teilnahm. Für eine Praxisstunde bei der Trainerausbildung brauchte mein Vater eine Gruppe junger Kicker. Da war ich dabei und dabei ist dem Ausbilder Heinz Werner aus Deutschland damals wohl mein Talent aufgefallen. Er hat mit meinem Vater danach darüber gesprochen, mich nach Deutschland für Probetrainings bei Profi-Fußballclubs zu schicken. Ich hatte immer den Wunsch, Profi-Fußballer zu werden, das wusste mein Vater. Aber er tat sich mit dem Gedanken, mich nach Europa ziehen zu lassen, erst sehr schwer. Schließlich reiste ich dann doch nach Deutschland und nahm drei Wochen lang am Probetraining von Union Berlin teil. Ich habe die meiste Zeit bei Gastfamilien gelebt und später kam ich dann nach Hansa Rostock. Dort bin ich dann auch irgendwann Fußball-Profi geworden.

TSN: Du warst also zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wie schätzt du denn die Chancen junger Fußball-Talente in Namibia insgesamt ein?

MS: Leider ist die Fußballtalentsuche in Namibia noch nicht ganz so weit. Ich habe mir schonmal Gedanken darüber gemacht, nach meiner eigenen Karriere in diesem Bereich aktiv zu werden. Einem Landsmann von mir konnte ich mit Hilfe meines Beraters vor einiger Zeit schonmal ein Probetraining beim Fußball-Zweitligisten Greuter Fürth organisieren.

TSN: Was muss sich verändern, damit mehr namibische Talente die Chance bekommen, ihren Traum wahr zu machen?

MS: Ich glaube, ein erster Ansatz wäre es, Scouting-Turniere zu veranstalten. An ihnen sollen Mannschaften und Fußball-Talente aus ganz Namibia teilnehmen. Aktuell kommt es nämlich noch überhaupt nicht vor, dass sich beispielsweise Fußball-Talente aus dem Norden des Landes mit Talenten aus dem Süden messen. Klar, Namibia ist ja auch ein Riesen-Land. Aber wenn sich so ein kleines, eigenes Scouting-Netz in Namibia etabliert, wäre das schonmal ein erster guter Schritt. Ansonsten werden die Talente aus den ländlichen Regionen des Landes weiterhin nicht entdeckt.

TSN: Top-Vereine wie Real Madrid, Manchester United oder der FC Bayern München schicken ihre Talentsucher überall in die Welt, um junge Nachwuchstalente zu finden. Was macht die Talentsuche in Namibia so schwierig?

MS: Sich Jugendfußballspiele in Namibia anzuschauen ist für viele europäische Talentsucher nicht so leicht. Von Europa nach Namibia zu fliegen und zu hoffen, dass es da jemanden gibt, rechnet sich für viele nicht. Namibia ist ein so großes Land – zwischen den einzelnen Orten liegen teilweise hunderte Kilometer. Das wäre für die Scouts eine unverhältnismäßige Sucherei. Andersrum wäre es leichter: Junge namibische Talente sollten früh nach Deutschland kommen. Die Konkurrenz ist in Deutschland ist groß, so würden sich die Jugendlichen früh mit Gleichaltrigen messen können.

Namibische Jugendfußballer auf einem Platz in Anamulenge in der nord-namibischen Region Omusati.

TSN: Wären die Fußball-Talente aus Namibia bei uns denn konkurrenzfähig?

MS: Klar! Namibia hat viele gute Nachwuchskicker. In Europa könnten sie sich vor allem taktisch weiterentwickeln. Daran hapert es in der Ausbildung junger Fußballer in Namibia noch am meisten.

TSN: Hast du es mal bereut, den Weg nach Deutschland genommen zu haben, um Profi-Fußballer zu werden?

MS: Nein, ich würde diese Entscheidung jedes Mal wieder so treffen. Dass ich schon als 13-Jähriger raus bin aus meinem Elternhaus, hat mich früh selbstständig werden lassen. Ich musste ja unter anderem damals schon meine eigene Wäsche waschen.

TSN: Was wäre eigentlich aus dir geworden, wenn es mit dem Fußball nicht geklappt hätte?

MS: Darüber habe ich letztens auch noch mit meiner Familie gesprochen. Mein Vater hat in Namibia eine Firma für Klimaanlagentechnik. Wahrscheinlich wäre ich irgendwann in dieser Branche miteingestiegen.

TSN: Bist du heute denn noch oft in Namibia?

MS: Meist über Weihnachten und Silvester. Aber als Profi-Fußballer hat man oft kaum Zeit, mal länger die Familie zu besuchen. Zumal die Flüge nach Namibia und zurück ja auch nicht ganz günstig sind. Deshalb muss sich die Reise schon lohnen. Mindestens 10 Tage würde ich sagen, sonst ist es einfach zu kurz. Immer wieder kommen aber auch meine Eltern zu mir nach Deutschland. Klar, wir sehen uns selten, aber wenn wir uns dann mal sehen, dann nutzen wir die Besuche auch viel intensiver, weil man sich lange vorher drauf freut. Ich sage immer: Namibia ist mein Zuhause, auch wenn ich aktuell kaum noch da bin. Aber spätestens im Rentner-Alter fände ich es schon schön, wieder dauerhaft dort zu leben.

TSN: Du bist ja auch namibischer Fußball-Nationalspieler und warst zuletzt ja beim Afrika-Cup 2019 für das Nationalteam im Einsatz…

MS: Stimmt, danach kam aber relativ schnell die Corona-Pandemie, weshalb es in letzter Zeit wenig Kontakt zur Nationalmannschaft gab. So ist es auch bei meinem Nationalmannschaftskollegen Ryan Nyambe – wir sind die beiden Spieler, die in Europa spielen. Er ist allerdings in England unter Vertrag. Ich hoffe nicht, dass ich mittlerweile raus bin aus der Nationalmannschaft. Aber bisher hat mit mir da noch keiner gesprochen oder sowas signalisiert, deswegen warte ich jetzt erstmal ab – spätestens nach der Pandemie wird sich sicherlich zeigen, was Sache ist.

TSN: Wo gibt es die größten Unterschiede zwischen dem Vereinsfußball in Deutschland und dem namibischen Nationalmannschaftsfußball?

MS: Insgesamt ist der Fußball in der Nationalmannschaft ein ganz anderer. Fußball in Deutschland ist sehr taktikgeprägt. In Namibia ist Fußballspielen dagegen viel physischer, Schnelligkeit ist da ein wichtiger Punkt. Zudem können viele meiner namibischen Kollegen wirklich toll mit der Kugel umgehen. Aber das taktische Denken ist in Namibia nicht so ausgeprägt – nur bei denen, die in einem europäischen Verein spielen.

TSN: Was muss passieren, damit das namibische Fußball-Nationalteam künftig noch erfolgreicher ist?

MS: Wir brauchen von der Jugend an mehr Taktik-Einheiten im Training. Das fehlt in Namibia bisher sehr – egal ob in den Jugendteams noch in den Mannschaften der Erwachsenen. Das Talent in Namibia ist vorhanden. Wenn wir jetzt noch an den Taktikschrauben drehen, sehe ich großes Potenzial für die namibische Fußball-Nationalmannschaft.